Vorstellung Studienergebnisse: Österreichs Neutralität

Vorstellung Studienergebnisse: Österreichs Neutralität

Präsentation der Hauptergebnisse der Expert:innen-Studie zur österreichischen Neutralität

Österreichs Neutralität - Rolle und Optionen in einer sich verändernden Weltordnung [Exekutive Summary] (PDF)

06.09.23 / Wien / Österreichische Außen- und Sicherheitspolitik


Am 06. September 2023 präsentierten die Autoren Christoph Schwarz (AIES Research Fellow) und Adam Urosevic (AIES Research Associate) die AIES Studie „Österreichs Neutralität - Rolle und Optionen in einer sich verändernden Weltordnung“. Die zweiteilige Studie umfasst eine Expert:innenumfrage mit 106 Teilnehmer:innen aus den Bereichen Forschung, Diplomatie und Militär, sowie eine soziale Netzwerkanalyse der Diskussion zur Neutralität auf der Plattform Twitter (nun X). Zielsetzung der Studie war eine Erhebung des Meinungsbilds in der österreichischen Expert:innencommunity, wovon Empfehlungen für Politik und Gesellschaft abgeleitet werden.

Die Präsentation der Studienergebnisse wurde durch die Einschätzungen von Botschafter Dr. Franz Cede und Dr. Elisabeth Hoffberger-Pippan (Peace Research Institute Frankfurt), sowie eine Diskussion mit dem Publikum ergänzt.

Die wichtigsten Ergebnisse aus der Umfrage wurden von AIES Research Fellow Christoph Schwarz präsentiert:

  • Es besteht eine Diskrepanz besteht zwischen Anspruch und Wirklichkeit, was die tatsächliche Vermittlerrolle Österreichs im internationalen Staatensystem anbelangt. So vertreten etwa zwei Drittel der Umfrageteilnehmer:innen die Meinung, dass dieser Status aus heutiger Sicht eher nicht oder gar nicht zutreffe.
  • Jeweils ein Drittel der Expert:innen ist der Auffassung, dass Österreichs EU-Mitgliedschaft und Teilnahme an GASP/GSVP einen starken Einfluss auf die Glaubwürdigkeit der Neutralität gegenüber Nicht-EU-Staaten haben beziehungsweise die Glaubwürdigkeit vor diesem Hintergrund nicht mehr gegeben ist.
  • Eine ausgeprägte Mehrheit der Befragten spricht sich dafür aus, dass eine weitere Verschiebung des zentralen Handlungs- und Gestaltungsrahmens in der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik hin zur NATO weitreichende Implikationen auch für Österreich hat, die eine Weiterentwicklung der Kooperation und Stärkung der Interoperabilität mit dem Verteidigungsbündnis nahelegen.
  • Das Spannungsverhältnis zwischen österreichischer Neutralität und europäischer Solidarität beurteilt ein Großteil der Expert:innen als langfristig unauflösbar. In diesem Zusammenhang spricht sich eine sehr deutliche Mehrheit für die militärische Unterstützung seitens Österreich im EU-Beistandsfall und gegen die Berufung auf die sogenannte irische Klausel aus.
  • Zwingenden Handlungsbedarf identifizieren die Teilnehmer:innen insbesondere im Bereich der Aufklärung der österreichischen Bevölkerung, was den tatsächlichen rechtlichen Status der Neutralität und deren Fortentwicklung seit dem EU-Beitritt 1995 betrifft.
  • Eindrücklich ist auch die Einigkeit der Expert:innen zum Thema der langfristigen Steigerung der Verteidigungsfähigkeiten und -ausgaben auf mind. 1,5% des BIP. Eine entsprechende Steigerung der Ausgaben erfordere laut mehrheitlicher Meinung jedoch auch mehr Klarheit in der strategischen Ausrichtung der österreichischen Streitkräfte.

Die Zeitreihenanalyse -Analyse auf Twitter, präsentiert von AIES Research Associate Adam Urosevic, zeigt auf, dass die russische Invasion der Ukraine im Februar 2022 einen signifikanten Einfluss auf die Debatte zur österreichischen Neutralität hatte.

  • Die Anzahl der Tweets und der beteiligten Nutzer ist seitdem bedeutsam gestiegen.
  • Die Mehrheit der Beiträge ist nun auf Englisch (zuvor auf Deutsch) verfasst, und die Thematik ist stark im Kontext der russischen Invasion und der damit verbundenen europäischen politischen Entwicklungen verankert. Diese Verschiebung deutet darauf hin, dass die Debatte eine eher reaktive Natur hat.
  • Die Methode zur Erkennung von Meinungsclustern zeigte zudem auf, dass unter anderem eine unerwartete Verbindung im Retweet-Verhalten zwischen politischen Randgruppen besteht. Dies unterstützt die sogenannte „Hufeisen“-Theorie.

Aus der Studie abgeleitet wurden folgende Empfehlungen abgeleitet:

  • Es muss dringend Aufklärungsarbeit in der österreichischen Bevölkerung geleistet werden, was den tatsächlichen rechtlichen Status der Neutralität und deren Fortentwicklung seit dem EU-Beitritt 1995 betrifft.
  • Eine Auseinandersetzung mit der langfristigen Vereinbarkeit von österreichischer Neutralität und europäischer Solidarität muss umfassend geführt und geklärt werden.
  • Es liegt im innen- wie außenpolitischen Interesse Österreichs, Klarheit darüber zu schaffen, welche Art des Beistandes man im Kontext eines EU-Verteidigungsfalles (Art. 42/7) gewillt ist zu leisten.
  • Es ist im Interesse Österreichs, seine Zusammenarbeit mit der NATO zu stärken und die Interoperabilität mit NATO-Staaten im Verteidigungsfall zu gewährleisten.
  • Um die Aufgaben militärische Landesverteidigung, Assistenzeinsätze im Inland und internationales Krisenmanagement angemessen wahrnehmen zu können, sowie dem Anspruch der wehrhaften Neutralität gerecht zu werden, sollen die Ausgaben für das österreichische Bundesheer längerfristig auf mindestens 1,5% des BIP gesteigert werden.
  • Eine diesbezügliche Debatte nicht auf die binäre Frage von Beibehaltung oder Abschaffung der Neutralität reduziert, sondern vielmehr auf die zielführende Weiterentwicklung derer gerichtet werden.

AIES Studie: Österreichs Neutralität [PDF]

AIES Studie: Österreichs Neutralität - Executive Summary [PDF]


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