Strategische Partnerschaften Europas

Ihr Konzept für strategische Partnerschaften in einer sich wandelnden Außen- und Sicherheitspolitik Europas hat EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner auf Einladung des ÖIES erstmals in Wien ausführlich deponiert.

20.05.2005



Die EU-Kommissarin für Außenbeziehungen, Benita Ferrero-Waldner.


Ihr Konzept für strategische Partnerschaften in einer sich wandelnden Außen- und Sicherheitspolitik Europas hat Benita Ferrero-Waldner auf Einladung des ÖIES erstmals in Wien ausführlich deponiert. 

Unter Vorsitz von Werner Fasslabend, dem Leiter des EU-Ausschusses im Österreichischen Nationalrat und Präsidenten des ÖIES, wurden die grundsätzlichen Ausführungen der EU-Außenkommissarin, die erstmals in dieser Eigenschaft im österreichischen Parlament sprach, von einer Runde prominenter Parlamentarier, Politiker und Militärs mit großem Interesse aufgenommen.

Seitdem wird das Konzept von Ferrero-Waldner auch parlamentarisch intensiv diskutiert. Die Außenkommissarin der EU resümiert ihre bisherigen Erfahrungen in Brüssel mit der Feststellung, Europa habe in den letzten Jahrzehnten Enormes erreicht. Sie spricht von einer "grenzenlosen Union" durch eine friedliche Einigung des europäischen Kontinents und dem Aufbau einer stabilen und wohlhabenden Nachbarschaft.

Europa dürfe aber nicht an der Selbstverständlichkeit seiner Erfolge kränkeln, „denn das geeinte Europa ist keine Insel, kein abgeschirmtes Paradies des Friedens und des Wohlstandes. Wir befinden uns in einer Periode tektonischer Verschiebungen mit zunehmend grenzüberschreitenden Problemen“. Die Antwort auf diese Herausforderung könne nicht ein „weniger Europa“ sein. Selbstbewusst stellte die Außenkommissarin fest: „Bereits heute ist die EU - entgegen der bisweilen undifferenzierten Kritik - ein globaler Akteur“. Die EU der 25 stelle mit fast einer halben Milliarde Einwohnern, dem größten Bruttonationalprodukt und einer gemeinsamen Währung den größten wirtschafts- und handelspolitischen Zusammenschluss der Welt dar.

Ferrero-Waldner verweist bei jeder sich bietenden Gelegenheit darauf, dass 55% aller Wirtschafts- und Entwicklungshilfe aus Europa stammt, darunter drei bis vier Milliarden jährlich aus den ihr unterstehenden Programmen. Europa entsende 80.000 Soldaten für Krisenmanagement-Operationen, also zur Friedenserhaltung. Die europäische Sicherheitsgarantie geht, wie die Außenkommissarin bekräftigt, von einer Sicherheitsstrategie aus. Es geht ihr nicht darum, für Europa eine außenpolitische Dimension zu gewinnen.
Diese habe es bereits. Es geht vielmehr darum, wie wir unsere Stärken effizienter ausspielen können.

Ferrero-Waldner will mit dem Modell Europa auf einen effektiven Multilateralismus geteilter Grundprinzipien hinwirken. Sie sieht strategische Partnerschaften mit Schlüsselspielern wie Russland, China, Indien, Brasilien oder die Kooperation der EU im Rahmen der G8. Ohne Partnerschaften ist für sie ein Management der Globalisierung nicht vorstellbar. Dazu zählt sie auch eine Reform der UN-Institutionen und plädiert auf die Dauer für einen Sitz der EU im UN-Sicherheitsrat. 

Staatliche Souveränität stellt für die Außenkommissarin keine leere Worthülse dar. "Sie beinhaltet nicht ein absolutes Recht auf Nicht-Einmischung. Staatliche Souveränität enthält Pflichten, auch gegenüber der eigenen Bevölkerung". In diesem Sinne benötige die EU einen breiten Ansatz der Konfliktprävention. Die Gemeinschaft müsse sich als „starker Soft Power Akteur“ einbringen.

Europäische Nachbarschaftspolitik betrachtet sie als strategisches Schlüsselprojekt. „Mit dieser Politik etablieren wir einen Ring von Freunden rund um die EU“. Diese Zone der Stabilität und des Wohlstandes reicht für sie von Osteuropa über den Kaukasus und den Nahen Osten quer durch den gesamten Mittelmeerraum. „Wir“, so die Außenkommissarin, „bieten an, unsere Beziehungen mit diesen Ländern in Politik, Handel und Wirtschaft, Bildung und Kultur sowie Energie und Umwelt stark zu vertiefen - bis hin zu einer Teilintegration in den EU-Binnenmarkt“.

Dieses Angebot gelte für jene Staaten, für die die Erweiterungsperspektive nicht auf der Tagesordnung stehe. 

Ferrero-Waldner nennt die Ukraine als Beispiel für den Erfolg dieser Politik. Neben dem gemeinsam erstellten Nachbarschaftsaktions-Plan - eine Art Reform-Plan - haben die Dienststellen der Außenkommissarin zusätzlich einen 10-Punkte-Plan erarbeitet. Er umfasst vertiefte bilaterale Abkommen, den Beitritt der Ukraine zur WTO sowie rasche Hilfen in den Bereichen Demokratie, Rechtsstaat und Zivilgesellschaft. In diesen wie in vergleichbaren Fällen geht es der Außenkommissarin um Heranführung an Europa - nicht um Fernhalten.
Ferrero-Waldner sieht nach den Erfahrungen der letzten Jahre einen substantiellen Aufholbedarf für konkretes Krisenmanagement. Für militärisches Management müsse sich Europa angesichts der Konflikte in Südosteuropa und Zentralafrika besser wappnen. "Die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die wir in den letzten Jahren schrittweise aufgebaut haben, ermöglicht uns nun, in Krisen flexibel zu intervenieren". Heute schon sei die
EU als "friedenserhaltende Macht" präsent, wie etwa mit der Militärmission ALTHEA in Bosnien-Herzegowina. Darin zeige sich nicht nur der Wille und die Fähigkeit der EU, sicherheitspolitisch Verantwortung zu übernehmen, sondern auch das arbeitsteilige Verhältnis zwischen der Gemeinschaft und der NATO.

"Ein Ausbau der Sicherheitsdimension unserer Instrumente", so Ferrero-Waldner, "ist daher kein Plädoyer für eine Militarisierung der EU-Außenbeziehungen. Es geht um eine effiziente verantwortungsvolle EU-Politik zum Schutz menschlicher Sicherheit, der wir uns nicht versagen dürfen".

Als Präsident des ÖIES sieht Werner Fasslabend anlässlich der Präsentation der Außenkommissarin sicherheitspolitisch Anlass zu Freude und Stolz. "Vor 60 Jahren war Österreich ein Land, das noch keine Macht über das eigene Territorium hatte". 1945 sei Europa ein total zerrütteter, zerstörter Kontinent gewesen. "Im Jahr 2005 ist Europa ein globaler Akteur", so Fasslabend.


AIES Präsident, Dr. Werner Fasslabend



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