Energieabhängigkeit von Russland: Auswirkungen auf die regionale Stabilität in Mitteleuropa

Lívia Benko und Maximilian Haidvogl: Energieabhängigkeit von Russland: Auswirkungen auf die regionale Stabilität in Mitteleuropa. AIES Studies 3/2024.

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14.10.2024


Die folgende AIES Studie wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Landesverteidigung (BMLV) verfasst und widmet sich der Abhängigkeit Mitteleuropas von russischer Energie. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und die damit verbundene zunehmende wirtschaftliche Entkopplung von Russland hat diese erhebliche Abhängigkeit nochmals klar aufgezeigt. Dieser Weckruf machte deutlich wie wichtig es ist, die Energieversorgung zu diversifizieren, anstatt sich zu stark auf einen einzigen Lieferanten zu verlassen, um so zu einem wettbewerbsfähigeren und integrierten Energiemarkt beizutragen und die damit verbundenen Sicherheitsrisiken zu mindern. Um einen beschleunigten Ausstieg aus der Versorgung mit russischem Gas zu erreichen, muss die Region Mitteleuropa verstärkt in alternative Energiequellen, einschließlich erneuerbarer Energien, investieren und seine Gasversorgung diversifizieren, wie unter anderem durch den Auf- und Ausbau von Kapazitäten für die Einfuhr von Flüssigerdgas (LNG) sowie eine verbesserte Anbindung an alternative Gasmärkte. In mehreren Ländern wurden bereits erhebliche Fortschritte erzielt, doch müssen weitere Anstrengungen vorgenommen werden, um die Entkopplung und Abhängigkeitsverringerung von russischen Energielieferungen voranzutreiben. Trotz der Fortschritte bei der Diversifizierung der Gasimporte fehlt es der Region an einer kohärenten Strategie zur Verringerung der Abhängigkeit von russischen Rohöl- und Kernbrennstofflieferungen, da diese aufgrund bestehender Infrastrukturnetzwerke schwierig zu ersetzen sind.

Innerhalb der Visegrád-Länder hat Polen die größten Fortschritte bei der Diversifizierung der Energieimporte gemacht, gefolgt von der Tschechischen Republik. Die Slowakei und Ungarn hingegen hinken hinterher, was sich angesichts der russlandfreundlichen Regierungen Orbáns und Ficos kurzfristig wohl kaum grundlegend ändern wird. Die neue nationalistisch-populistische Regierung der Slowakei wird die Fortschritte des Landes bei der Energiediversifizierung weg von Russland verlangsamen. Ungarn wird seine freundlichen Beziehungen zu Russland weiterhin mit dem Argument pflegen, dass Öl- und Gasimporte aus Russland für die Energiesicherheit Ungarns unerlässlich sind. Die Tschechische Republik verstärkt ihre Diversifizierungsmaßnahmen, verringert die Abhängigkeit von russischem Gas wesentlich, wird aber aller Wahrscheinlichkeit nach vorerst weiterhin Öl aus Russland importieren.

Bulgarien und Rumänien haben die Diversifizierung ihrer Energieimporte ebenfalls vorangetrieben, indem sie sich alternative Gaslieferungen sichern und die Förderung von Gas im Schwarzen Meer verstärken. Trotz der aktuell pro-westlichen Ausrichtung der Regierung bleibt Bulgarien in Bezug auf Russlands Einfluss und seine strategische Bedeutung als Energiepartner für die EU und die NATO gespalten. Es sollte den aktuellen Kurs fortsetzen und besonders verstärkt in die Zusammenarbeit mit NATO-Partnern, insbesondere der Türkei, investieren, um die strategische Autonomie und Sicherheit gewährleisten zu können. Rumänien strebt an, seine Energiesicherheit zu verbessern und sich von der Abhängigkeit von russischen Energielieferungen zu verringern, indem es seine eigene Gasproduktion, ungenutzte Ressourcen im Schwarzen Meer und erneuerbare Energien ausbaut, obwohl bisherige Mängel in der Infrastruktur und Regierungsführung die Modernisierung des Energiesektors behindert haben.


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