Von der Blockfreiheit zur NATO
Die Entwicklung der finnischen Sicherheitspolitik
08.02.24 / Wien / Europäische Sicherheit und Verteidigung
Der Austria Institut für Europa und Sicherheitspolitik (AIES) hatte die Ehre, die finnische Außenministerin Elina Valtonen für einen Vortrag über Finnlands Entscheidung, der NATO beizutreten, zu empfangen. Die Veranstaltung fand am 8. Februar 2024 statt und wurde in Zusammenarbeit mit der finnischen Botschaft in Österreich und der Diplomatischen Akademie organisiert.
Ministerin Valtonen betonte, dass mit dem NATO-Beitritt Finnlands eine neue Ära sowohl in der finnischen Außen- und Sicherheitspolitik als auch in der europäischen Geschichte eingeleitet wurde. Das Datum des 24. Februar 2022 war in Europa ein Tag der Schande, denn es markiert den grundlosen und ungerechtfertigten Krieg Russlands gegen die Ukraine.
Mit Blick auf die Zeit, die Periode welche heute als "Vorkriegszeit" bezeichnet werden kann, und die Auswirkungen des Krieges auf die Entscheidung Finnlands über die NATO-Mitgliedschaft, erinnerte Frau Valtonen an die Verschlechterung der Lage bereits lange vor 2022. Die schließt die Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 und den Einmarsch in Georgien im Jahr 2008 ein. Diese Handlungen, insbesondere die Invasion im Jahr 2022, waren für Finnland ein Weckruf, der eine Neubewertung seines Sicherheitsumfelds und seiner Sicherheitsvorkehrungen zur Folge hatte. Dies führte zu der weit verbreiteten Erkenntnis, dass sich das Sicherheitsumfeld Finnlands grundlegend und unwiderruflich verändert hat, da die Aggression Russlands eine existenzielle Bedrohung darstellt.
Ministerin Valtonen betonte das Recht eines jeden Staates, seine eigenen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, und verwies auf die Charta von Paris und die Schlussakte von Helsinki. Im Dezember 2021 wurden die Forderungen von Präsident Putin, die europäischen Sicherheitsstrukturen zu verändern, vor allem in Finnland als alarmierend empfunden und als Wendepunkt in der Sicherheitspolitik des Landes angesehen. Trotz der zuvor geringen öffentlichen Unterstützung für die NATO-Mitgliedschaft führte der russische Einmarsch in der Ukraine zu einem dramatischen Meinungsumschwung in der finnischen Öffentlichkeit, und die Unterstützung für einen NATO-Beitritt stieg sprunghaft an.
Die Vorlage von zwei Weißbüchern durch die finnische Regierung im Parlament und die breite parlamentarische Unterstützung für den NATO-Beitritt waren ausschlaggebend für das entscheidende Votum für den NATO-Beitritt. Die Rolle der Bevölkerung bei dieser Entscheidung muss hervorgehoben werden, da die Zustimmungsraten zur NATO zuvor deutlich stiegen. Der Ministerin sprach auch die Synchronisierung der Beitrittsprozesse mit Schweden an, dem engsten Sicherheitspartner Finnlands, wobei beide Länder ihr Bestreben zum Ausdruck gebracht haben, der NATO im Mai 2022 beizutreten. Die offizielle NATO-Mitgliedschaft Finnlands am 4. April 2023 war ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Stabilität und Sicherheit in der Region und in Europa.
In Bezug auf Finnlands Haltung zur Neutralität stellte Ministerin Valtonen klar, dass Finnland sich seit seinem Beitritt zur Europäischen Union im Jahr 1995 aufgrund der EU-Klausel zur gegenseitigen Verteidigung nicht als neutral betrachtet habe. Der rasche Wandel der öffentlichen Meinung in Bezug auf die NATO-Mitgliedschaft wurde auf eine strategische Nutzung der Neutralität zurückgeführt, wobei die Bedeutung einer verstärkten Sicherheits- und Verteidigungszusammenarbeit innerhalb der EU betont wurde, insbesondere angesichts der Aggression Russlands.
Ministerin Valtonen bekräftigte die außen- und sicherheitspolitischen Ziele Finnlands und betonte die Wahrung der Unabhängigkeit und der territorialen Integrität des Landes sowie das Wohlergehen seiner Bevölkerung. Die NATO-Mitgliedschaft sei sowohl eine grundlegende Veränderung als auch ein natürlicher Schritt bei der Integration Finnlands in westliche Institutionen. Sie bekräftigte das Bekenntnis zu Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten, Gleichheit und Demokratie, wobei die EU den zentralen Rahmen für Finnlands Außen- und Sicherheitspolitik bildet.
Zum Abschluss ihrer Rede bekräftigte Ministerin Valtonen Finnlands Unterstützung für die OSZE und das Konzept der kooperativen Sicherheit und hob die Bedeutung von Diplomatie und Zusammenarbeit für die europäische Sicherheit und Stabilität hervor. Sie unterstrich die Bereitschaft Finnlands, den Vorsitz in der OSZE zu übernehmen, und sein Engagement für die Ukraine und den internationalen Frieden. Sie bedankte sich auch für die Beiträge Österreichs zur OSZE.
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